Als Nesthäkchen in Schleswig-Holstein geboren. Bruder Jörn ist zehn, Schwester Edeltraut vier Jahre älter. Meine Mutter zog mit uns nach Geldern und war nach der Scheidung alleinerziehend. Eine starke, selbstbewusste Frau, die darauf bestand, ihre Kinder allein durchzubringen. Alles, was sie konnte, hat sie in unsere Bildung investiert. Wir lieben sie sehr.
Anna Gross ist heute 92 und lebt seit kurzer Zeit bei Ihrer Tochter Karin und Ihrem Schwiegersohn Reimund in Krefeld.
Bevor wir Kinder kamen, war sie auch Krankenschwester des Deutschen Roten Kreuzes und hatte von daher ihrem Schwesternamen: "Schwester Mechtild".
Mit Dauer-Nachtschichten im Clemens-Hospital in Geldern verdiente sie ihre Brötchen. Tagsüber war sie dann für uns Kinder da. Irgendwann muss sie auch geschlafen haben. Dann übergab sie mich Kleine den Kolleginnen im Krankenhaus. So hatte ich eine sehr große Familie. Und wenn jemand fragte, was ich mal werden wollte, war die Antwort klar: "Schwester Bilfriedis". Dass ich dann doch keine Ordensfrau wurde, ist Schuld meiner Schwester. Sie versicherte mir, in diesem Stand der Armut dürfte man sich die Zähne nur mit Seife putzen. Das habe ich natürlich ausprobiert. Es war ziemlich ekelhaft und mit der Karriere im Orden war es vorbei.
Aber das Krankenhaus war und blieb meine Heimat. Sicher und wohl fühlte ich mich dort. Dem Kindergarten habe ich mich beharrlich verweigert, weil ich es viel spannender fand, mit an der Pforte zu sitzen, in der Krankenhaus-Wäscherei zu mangeln oder beim Bettenmachen zu helfen.
Als Teenie - so etwa mit zwölf - habe ich sonntags das Essen verteilt, auch die Kirchenzeitung ausgetragen. Mein Taschengeld habe ich mir immer selbst verdient.
Zwischendurch habe ich das Mädchengymnasium in Geldern besucht. Dafür blieb natürlich wenig Zeit. In der elften Klasse habe ich es dann eben anders überlegt und die Schule verlassen. Ohne Abitur schied Berufswunsch Nummer zwei erst einmal aus.
Also lernte ich Krankenschwester, ich war damals gerade 17 Jahre alt. Angefangen habe ich in Krefeld, in der Frauenklinik, auf Station F 3B, natürlich als Rot-Kreuz-Schülerin. Nach dem Examen 1973 bin ich nach Kleve gewechselt. Dort ließ sich Berufswunsch Nummer zwei nicht länger zurückhalten:
1976 begann ich als junge Schulassistentin an der Grenzland-Pflegeschule. Ich war also Krankenschwester, wie Mutter, und wollte Unterrichtsschwester werden. Warum auch immer? Vielleicht wegen meiner Kindheit und Jugend im Krankenhaus und den vielen Erfahrungen, jedenfalls blieb es für mich nicht dabei. Es ging in den nächsten Jahren privat und beruflich abwechselnd weiter:
1977 Weiterbildung in Hohenlind,
1978 Zurück nach Krefeld, Krankenhaus Maria Hilf, Leiterin der Krankenpflegerschule,
1981: Wiedereröffnung der Krankenpflegeschule Krankenhaus Maria Hilf und Alexianerkrankenhaus, ab
1982 kam das St. Josefs - Hospital Uerdingen mit dazu.
1986 Unterrichtsschwester in der Krankenpflegeschule der Städtischen Krankenanstalten, 1987 Übernahme der innerbetrieblichen Fortbildung im Klinikum Krefeld und
1988 zusätzlich Leiterin der neuen OP-Weiterbildung.
1990 Wahl zur Vorsitzenden der Rotkreuz-Schwesternschaft Krefeld e.V mit über 800 beschäftigten und über 100 pensionierten Mitgliedern. Seit 2000 Vorsitzende der Hospiz Stiftung Krefeld, gegründet vom Caritasverband für die Region Krefeld e.V. und dem Evangelischem Gemeindeverband Krefeld.
2004: Eröffnung des umgebauten Klosters der Herz Jesu Priester als stationäres "Hospiz am Blumenplatz".
Mit der Übernahme des Amtes der Vorsitzenden kam auch die Einbindung in berufs- und verbandspolitische Gremien.
Bereits Ende 1990 erfolgte die Wahl in den Vorstand der DRK - Landesverbandes Nordrhein e.V, seit 2001 dort Vizepräsidentin und, damit verbunden, Mitglied im DRK - Bundessozialausschuss. Weitere berufs- und verbandspolitische Mandate waren Mitglied im vorstand des Verbandes der Schwesternschaften vom deutschen Roten Kreuz e.V
Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Deutscher Schwesternverbände, Mitglied in der Arbeitsgruppe Portfolio-Analyse und Zukunftsprogramm beim Generalsekretariat vom Deutschen Roten Kreuz e.V und der Strategiegruppe Neuausrichtung des DRK "Soziale Dienste - Geschäftsfeld Pflege".
Ziemlich folgerichtig kam an dieser Stelle die Politik ins Spiel. Ich hatte in meinen bisherigen Aufgabenbereichen die Erfahrung gemacht: Probleme sind nur gemeinsam mit vielen Menschen zu lösen, die mit den Problemen zu tun haben.
Wer ganz allein vor sich hin arbeitet, der steht auch ganz schnell allein im Regen.
Beruf und Politik griffen ineinander über. 1993 wurde ich Mitglied der CDU. 1994 nach der Kommunalwahl hatte ich Amt und Mandat im Rat der Stadt Krefeld. Es folgten die Wahlen zur Stellvertreterin des Krefelder Oberbürgermeisters, ab Bürgermeisterin, Mitgliedschaft im Fraktionsvorstand, CDU - Bezirks-Vorstand Niederrhein, stellvertretende Vorsitzende CDU - Kreisverband Krefeld und Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung.
Viele Menschen sind mir begegnet. Die Kontakte haben mir vor allem eins gezeigt: Politik muss man machen wegen der Menschen, die einem vertrauen, die etwas bewegen wollen und denen ihre Stadt und die Gesellschaft am Herzen liegen.